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Um die in der Headline angesprochene Thematik verständlich zu machen, muss ich erst einmal weit zurück in die Vergangenheit gehen und von meiner Kindheit erzählen. Es geht dabei um ein unverstandenes Kind, das ständig auf der Suche nach der eigenen Identität angeeckt ist und am Ende dieser Reise hat dieses, inzwischen erwachsen gewordene Kind, nicht nur seine Persönlichkeit gefunden, sondern auch seine Berufung innerhalb einer Szene, die zu einer Familie wurde, aber mehr dazu später…

Ich wurde 1987 in Kärnten geboren und wuchs in Spittal an der Drau auf. Seit ich denken kann, erinnere ich mich daran, dass ich ein Problemkind war, mit dem man leicht und schnell überfordert war. Dementsprechend war auch meine Schulzeit alles andere als einfach, denn zum einen zog ich aggressive Mitschüler wie ein Magnet an, gleichzeitig wollte ich deren Anerkennung gewinnen und legte mich deswegen mit unbeliebten Lehrern an. Dies führte dann dazu, dass meine Eltern des öfteren in der Schule antanzen mussten, um sich anzuhören, was mit ihrem Sohn nicht stimmt. Es war ein totaler Teufelskreis, denn ich war komplett auf mich alleine gestellt und musste mich gegen die Gleichaltrigen, die Lehrer, aber auch gegen zu Hause behaupten und so wurden auch meinen schulischen Leistungen immer schlechter, während alles andere schlimmer wurde. Natürlich war ich kein Kind von Unschuld und befand mich ebenso in der Täter, wie auch in der Operrolle. Viel näher will ich auch gar nicht darauf eingehen, denn für mich ist es ein aufgearbeitetes und abgeschlossenes Kapitel, aber es ist wichtig diesen Teil meines Lebens zu beleuchten, um zu verstehen, warum die Musik bis heute so einen wichtigen Stellenwert in meinem Leben eingenommen hat.

Neben Videospielen und wirklich schönen Momenten, mit den paar wenigen Freunden die ich hatte, war die Musik ein wichtiges Ventil für die von mir aufgestauten Energien. Gerade der Heavy Metal hat es mir damals angetan und die schnellen hämmernden Tonfolgen, in Kombination mit den Texten, haben mir ein erstes Gefühl von Freiheit vermittelt, in das ich mich stundenlang flüchten konnte. Ich fühlte mich darüber hinaus verstanden und für eine gewisse Zeit waren alle Sorgen wie weggeblasen. Keine Schule, keine Schulkollegen vor denen ich mich verstecken musste, keine nervigen Lehrer und auch keine Eltern, die nicht wissen was mit mir los ist, weil ich zu Hause nicht darüber geredet habe. Dank der Musik konnte ich diesen Lebensabschnitt ganz gut übertauchen und es war zum Aushalten. Mit dem Abschluss des 16. Lebensjahrs hat sich für mich dann sowieso alles geändert, denn mit dem ersten Fortgehen entdeckte ich eine ganz neue und extrem interessante Welt für mich.

Das Wochenende war zu dem damaligen Zeitpunkt heilig, denn es war meine persönliche Auszeit von all dem Terror, dem ich jahrelang ausgesetzt war. Plötzlich war ich nicht mehr uncool, lernte laufend neue Leute kennen und auch das andere Geschlecht hat mich neuerdings wahrgenommen. Von heute auf morgen konnte ich auf einmal so sein wie ich bin, ich wurde positiv aufgenommen und ich entwickelte eine gewisse Faszination für diese neue Welt, in der sich Liebesgeschichten, Dramen und legendäre Partymomente abspielten. Es folgte ein Jahr, in dem ich keinen Freitag oder Samstag ausgelassen habe. Das Ganze wurde zu einer Ersatzfamilie für mich und mein Platz im Gymnasium, für den ich einen Sommer lang hart gelernt habe, wurde immer unwichtiger und ich verbrachte meine Unterrichtszeit vermehrt in diversen Lokalitäten, bevor ich die Schule dann komplett hinschmiss. Zu diesem Zeitpunkt begann für mich dann ein langer Pfad der Selbstfindung, getrieben von dem Gedanken, ich wäre für etwas Größeres bestimmt und eine Schule oder ein autoritäres System ist nichts, wo ich mich weiterhin unterordnen kann oder will.

Ohne einer wirklichen beruflichen Perspektive, bin ich dann immer mehr hineingewachsen in die ganze Thematik der neuen Freiheit und habe dann auch direkt meinen ersten Job hinter der Bar als Gläserwäscher angetreten. Dort hatte ich dann auch meine ersten Berührungen mit dem DJ Pult und bin quasi über Nacht in die Position aufgestiegen, die ich zuvor Woche für Woche heimlich bewundert habe. Ich hoffe an dieser Stelle dürfte klar geworden sein, wie wichtig das Ganze für mich und mein Leben geworden ist und warum ich die Headline des Artikels so radikal gewählt habe, denn ja, ohne Events hat mein Leben keinen Sinn! Hier habe ich über Jahre meine Identität gefunden, aber auch meine Fähigkeiten als Deejay und ein Gespür für die richtige Umsetzung von Veranstaltungen. Ich habe Restaurant- und Medienfachmann als Beruf erlernt, um meine fachlichen Voraussetzungen zu verbessern und darüber hinaus wurde auch viel Geld in eine Veranstaltungsinfrastruktur investiert, was dank Corona seit Februar ungenutzt herumsteht und täglich an Wert verliert. Events wurden im Zeitraum von fast 17 Jahren zu meinem Lebensmittelpunkt und das ist immerhin eine Beziehung, die schon länger als meine halbe Lebenszeit auf Erden besteht. Was damals noch als meine persönliche Freiheit angefangen hat, wurde zu meiner Berufung und zu einer Lebensaufgabe, die Welt besser zu machen, als sie ist. Jede Herausforderung und jede Hürde wurde genommen, um am Ende für eine Ideologie einzustehen, die mich als Charakter nach außen spiegelt. Das ist für mich die höchste Form der gesellschaftlichen Akzeptanz, wenn man als kreativer Querdenker verstanden, angenommen und respektiert wird.

So und nun fliege ich seit Monaten in ein unendlich tiefes schwarzes Loch, weil mir der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Auch wenn ich es wirtschaftlich gesehen eh noch gut erwischt habe, wurde mir durch Corona meine komplette Identität geraubt und auch wenn ich mir schon immer bewusst war, dass ich in einer Branche arbeite, die nicht systemrelevant ist, hat mich das Ganze härter getroffen als gedacht. Offen gesagt fühlt es sich so an, als hätte man mich meines Lebens beraubt, nur bekomme ich es bei vollem Bewusstsein mit und muss die Situation auch noch aushalten bzw. lernen damit klarzukommen, was wirklich schwierig ist!

Seit 15 Jahren stehe ich jetzt hinter dem DJ Pult und nehme Menschen auf eine musikalische Reise mit und ja ich brauche diese Momente und die Aufmerksamkeit, wie die Luft zum Atmen. Genau das kann kein anderer Job für mich ersetzen! Ich bin es gewohnt Menschen zusammenzubringen, um gemeinsam eine schöne Zeit zu erleben und ihnen diese einzigartigen Erinnerungen mitzugeben. Außerdem ist es für mich normal, ständig mit dem Kopf durch die Wand zu gehen und für die öffentliche Akzeptanz von kulturell wertvollen Veranstaltungen im alternativ-elektronischen Bereich zu kämpfen. Für die Nutzung von öffentlichem Raum für unsere Community und für eine Plattform der gelebten Musikerziehung abseits des Mainstreams. Events bedeuten für mich nach wie vor Freiheit und nur hier kann sich meine Persönlichkeit verwirklichen und es gibt keine Grenzen oder Konstrukte, denen ich mich unterordnen muss, bis auf gesetzliche Vorgaben, die bis jetzt immer händelbar waren.

Diese Freiheit zu verlieren bedeuted für mich somit den Verlust von Allem, wofür ich so hart gekämpft habe. Darüber hinaus ist auch mein safe place verloren gegangen, den ich als Rückzugsort brauche und alles was mir bleibt ist die Musik, was aufgrund meiner tiefen Verwurzelung in die Thematik eher Depressionen auslöst. Damit habe ich zu viele Erinnerungen an eine bessere Welt verknüpft, dessen Teil ich als Konsument, Mitgestalter, aber auch als Schöpfer bin. Eine Welt mit der ich seit Jahren in symbiose lebe, die sich gerade stark verändert und dank der Corona bedingten Regierungsmaßnahmen am Sterben ist…

August 2020 | #derGrandits
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